Extase op.21 für Violine und Orchester Eugène Ysaye

Studienpartitur

An seinem 60. Geburtstag befand sich der große Geiger Eugène Ysaÿe in Amerika, weit weg von den Wirren des Weltkriegs in seiner belgischen Heimat, aber besorgt und deprimiert über seine Zukunft und die Zukunft der Musik. Der größte Geigenvirtuose seiner Zeit - der Mann, dessen musikalische Persönlichkeit Bernard Shaw als "ungeheuer unbeherrschbar" bezeichnet hatte, der Widmungsträger der Franck-Sonate, des Debussy-Streichquartetts, des Fauré-Streichquintetts und des Poème von Chausson - litt an Asthma, Diabetes und einem zitternden Bogenarm, der das Ende seiner Karriere auf der Konzertbühne bedeutete. Die ganze Zeit über sah er die Welt der Musik und der europäischen Kultur, wie er sie kannte, über sich zusammenbrechen. "Die Amerikaner sind vor dem Albtraum des Krieges in die Arme des Tanzes geflohen", schrieb er in einem vierzigseitigen Brief an einen seiner Söhne im Schützengraben:
"Ich habe den Anblick einer Nation vor mir, die sich bisher ihres Puritanismus rühmte, die sich der Lust hingibt.... Es ist eine Saturnalien jenseits der Träume Roms, ein Sabbat von unzähligen Hexen."
Dennoch war es genau dieses moralisch verkommene Amerika, das dem großen Geiger die Chance bot, seine Karriere zu erneuern. Er nahm eine Stelle als Dirigent des Cincinnati Symphony Orchestra (1918-22) an und bereitete sich darauf vor, seine letzten Jahre dem Dirigieren und der Komposition zu widmen.
Ysaÿes Fähigkeiten als Dirigent sind gut belegt: Fünfundzwanzig Jahre zuvor hatte er den Posten des Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker abgelehnt. Seine Stärke als Komponist muss jedoch erst noch abschließend beurteilt werden.